Es war einmal…
Im Jahr 2000 war die Welt des Maschinenbaus noch halbwegs in Ordnung: Die Chinesen waren für westliche Unternehmen keine wirkliche Bedrohung, weder was Innovation noch Qualität betraf. Jeder wusste, dass sie gerne Produkte kopieren, trotzdem war ich damals einigermaßen überrascht, als ich eine großflächige Halle eines chinesischen Spritzgießmaschinenherstellers betrat und zwei halb zerlegte Spritzgießmaschinen aus dem Westen vor mir sah. An den Maschinen waren jeweils ca. 20 Mitarbeiter beschäftigt, ausgerüstet mit Fotoapparat, Schieblehre, Maßband und Notizblock.
Das Bestreben der chinesischen Maschinenbauer, die Werte der westlichen Maschinen wie z.B. Standfestigkeit, Zykluszeit und Qualität mit einer viel kostengünstigeren Fertigung zu erreichen war groß. Damals gelang dies natürlich nur bis zu einem bestimmten Grad, da Know-How, Motivation und Ausbildung der Mitarbeiter, Maschinenpark usw. nicht entsprachen.
Einfach eine Konstruktion oder einen Vorgang zu kopieren reichte nicht. Zwar waren die Ansprüche der chinesischen Manager hoch, jedoch gelang es nicht, die Fertigungsteile in der angestrebten Qualität auch nur annähern herzustellen oder zu Montieren. Trotzdem wurden bereits viele chinesische Maschinen in Asien und Osteuropa verkauft. Ich sprach damals mit einem Kunden aus Sri Lanka, der vier chinesische PET-Anlagen auf einmal kaufte. Sein Argument war, dass, auch wenn die Zykluszeit höher ist und eine der vier Anlagen eine Störung hat, der Output noch immer etwas höher sei als der von zwei kanadischen Anlagen - und das zum annähernd gleichen Preis! Leider lag der Kunde falsch. Tatsächlich fielen zeitweise bis zu drei der vier Anlagen aus. Umstände wie diese waren es, die damals viele asiatische Unternehmer dazu zwangen, neben den chinesischen Anlagen immer auch eine teure, dafür aber verlässliche, westliche Anlage im Maschinenpark zu betreiben.
Chinas Maschinenbau heute
Mittlerweile haben es die meisten chinesischen Maschinenbauer verstanden, ihre Produkte auf die vorhandenen Möglichkeiten und die angestrebten Märkte anzupassen. Zusätzlich haben sie sich, auf Grund intensiver „Mitbewerber-Produktanalysen“ schnell und kostengünstig Know-How angeeignet. Dieser Mix erlaubt es ihnen nun, in bisher nur den westlichen oder japanischen Unternehmen vorbehaltene Marktsegmente, vorzudringen. Bereits seit 2009 ist Asien, vor allem durch das starke Wachstum in China, die weltweite Nr. 1 im Maschinenbau (siehe Grafik unten).
China und die USA konnten ihren Jahresumsatz 2014 um 8% steigern. Die Prognose für 2015 sieht gut aus, selbst Krisen können den Maschinenmarkt nicht bremsen. Auch Österreich wir voraussichtlich seinen Umsatz von 2014 auf 2015 um 1Mrd. Euro steigern.
China-Krise 2015 – auch für den Maschinenmarkt?
Der Maschinenmarkt hat in der Regel längere Vorlauf- und Planungszeiten. Die sogenannte China-Krise 2015 wird u.a. auch deshalb kaum Auswirkungen haben. Eines stimmt mit Sicherheit: der große
China-Boom ist vorbei. Was jedoch oft vergessen wird: Der Boom ist schon lange vorbei, und trotzdem ist China noch immer ein lukrativer Markt für westliche Maschinen- und Anlagenbauer. Nach wie
vor kann man im China-Geschäft äußerst erfolgreich sein, vorausgesetzt die Strategie stimmt.
Alle Wege führen nach Rom, oder eben nach China
Es gibt bekanntlich kein Patentrezept für den Erfolg, auch nicht in China. Europäische Maschinenbauer können jedoch folgende Überlegungen berücksichtigen:
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Weniger ist mehr – In China spielt der Preis bei der Kaufentscheidung eine gewichtigere Rolle als im
Westen. Was auch verständlich ist – so bieten z.B. einheimischen Mitbewerber nicht bloß um 10-20% sondern um bis zu 90% günstiger an. Obwohl europäische Technologie und Qualität begehrt sind,
ist der chinesische Käufer nicht immer bereit, so viel mehr zu investieren. In solchen Fällen sollte man genau analysieren, was der Kunde wirklich benötigt. "Die Ingenieure sollen
nur so viel Technik wie nötig projektieren", rät ein österreichischer Anlagebauer, um die Profitabilität der Kunden zu gewährleisten.
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"Made in Europe" vs. "Made in China" – In manchen Nischensegmenten bestehen europäische Hersteller auf eine rein europäische Fertigung ihrer Produkte. Dadurch sichern
sie die Qualität und schützen ihr Intellectual Property. Für immer mehr westliche Anbieter jedoch kommt nur mehr "Made in China for China" in Frage, nicht nur der Kosten wegen - auch
Lieferzeiten und Kundenanforderungen werden berücksichtigt.
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Lieferantenentwicklung für "Local Content" – Wenn die Produktion oder zumindest die Montage in China stattfindet, muss eine zuverlässige, einheimische Lieferkette
aufgebaut werden. Dabei gilt es zu beachten, dass beim notwendigen Technologie-Transfer zum Lieferanten die eigene Kernkompetenz nicht verloren geht.
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Automatisierung – Steigende Lohnkosten und Qualitätsansprüche fordern mehr Automatisierung. Die Rahmenbedingungen für High-Tech-Automation sind aber noch nicht überall
gegeben: z.B. Qualifikation der Maschinenbediener, Know-How in Prozessmanagement, Informationssysteme im Unternehmen… Dazu müssen jeweils individuelle Lösungen ausgearbeitet
werden.
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After-Sales-Service – Früher noch ein Stiefkind in China, ist es heute eine Chance zur Kundenbindung und in weiterer Folge eine vielversprechende Einnahmequelle für die
Zukunft. Regelmäßige Präventiv-Services und rasche Reparaturen durch ein passendes, verlässliches Team vor Ort erhöhen die Kundenzufriedenheit.
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Von "Made in China“ bis "Created in China" - China möchte sich als Technologieführer durchsetzen. Dafür wird viel in Forschung und Entwicklung investiert. Auch die Zahl
der Patentanmeldungen zeigt den Trend: China ist mittlerweile die führende Nation bei Patenteinreichungen. Für europäische Unternehmen besteht die Möglichkeit, durch die Zusammenarbeit mit
chinesischen Forschungsinstituten von deren Kompetenzen zu profitieren.
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Markenbildung – Produkte und Technologien veralten, Patente laufen ab, aber eine starke Marke – sofern richtig aufgebaut – bleibt in den Köpfen der Kunden. Dies gilt vor
allem für China, wo die Marke einen höheren
Einfluss auf Kaufentscheidungen hat.
Fazit
Der Maschinenmarkt in China wird weiterhin wachsen. Die Zeiten, in denen sich westliche Produkte auf Grund von Einzigartigkeit und fehlendem Wettbewerb von alleine verkauften sind jedoch vorbei. Es gilt heutzutage Strategie, Produktanpassung, Produktpalette, Service-Netz usw. noch genauer und intelligenter zu planen als früher. Wie heißt es so schön: "Dem Mutigen gehört die Welt" – China inklusive.
Über den Autor:
Wolfgang Gastner ist Mitbegründer und CTO von Zentron Consulting, einem Beratungsunternehmen, das sich auf Marketing und Engineering in China spezialisiert hat. Er verfügt über mehr als 20 Jahre praktische Erfahrung im Maschinenbau, sowohl in Europa als auch in China.
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