Europäische Marken sind in China beliebt. Angesichts der immer stärker werdenden Wirtschaft haben es Unternehmen im Reich der Mitte aber zunehmend schwer, sich erfolgreich am Markt zu positionieren.
Seit 2010 ist China noch vor Japan die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Derzeit ist die Republik auf dem Weg, die USA als größte Handelsnation abzulösen, so das Statistische Bundesamt. Viele europäische Mittelbetriebe versuchen mit mehr oder weniger Erfolg, ihre B2B-Marken im chinesischen Markt zu etablieren. Was macht das Reich der Mitte so anders? Was sind die üblichen, manchmal auch falschen Erkenntnisse, die über den Markt kursieren? Und was können Unternehmen tun, um dort erfolgreich einzusteigen? Janet Mo, Marketing Expertin für China, hat die sieben häufigsten Mythen über den chinesischen B2B-Markt für marconomy aufgedeckt.
1. „B2B-Marketing ist in Europa und China komplett identisch”
B2B-Marketing in China und Europa ist weder komplett unterschiedlich, noch komplett gleich. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Auf der einen Seite sind die Kultur, der Grad an Professionalität und die Vorgehensweisen bei Entscheidungsprozessen sehr verschieden. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Übereinstimmungen. So sind beispielsweise die Entscheidungsfaktoren für B2B-Einkäufer dieselben (Qualität, Service, Kosten, Kundenbetreuung etc.). Darüber hinaus sorgen die industrielle Globalisierung sowie der zunehmende Entwicklungsgrad chinesischer Unternehmen dafür, dass die Lücke zwischen den Märkten sich immer weiter schließt. B2B-Marketer müssen die richtige Balance finden, wenn sie ihre Strategien entwickeln und Aktivitäten implementieren wollen.
2. „Europäische Marken verfügen automatisch über ein Premium-Image“
„Der ausländische Mond ist runder“ ist ein eher sarkastisch gemeintes, chinesisches Sprichwort über die Neigung zu importierten Produkten. Chinesen sehen „Made in Europe“ als Qualitätssymbol, insbesondere Investitionsgüter, Maschinen und Hightechprodukte sind sehr beliebt. Aber Vorsicht: Werden die hohen Erwartungen nicht erfüllt, sind die Kunden umso mehr enttäuscht. Europäische Unternehmen müssen sicherstellen, dass Service-Level, Kundennähe und Flexibilität dem Wettbewerb entsprechen.
3. „Für den chinesischen Markt können wir unseren Markennamen einfach ins Chinesische übersetzen – falls das überhaupt notwendig ist“
Marken mit chinesischen Namen finden in China allgemein eine höhere Akzeptanz und werden im Internet häufiger gesucht. Insofern bietet es sich an, den Markennamen oder Namensbestandteile zu übersetzen. Allerdings sind die Feinheiten der chinesischen Sprache gerade für westliche Unternehmen, insbesondere was die Namensgebung betrifft, eine große Herausforderung. Nicht selten wird ein Markenname rein phonetisch in bedeutungslose, schwer zu merkende und sogar peinlich klingende Kombinationen chinesischer Schriftzeichen übersetzt. Aus diesem Grund sollten für den Prozess der Namensfindung interne und externe Experten mit chinesischen Sprachkenntnissen und der nötigen Marketingerfahrung herangezogen werden. Nicht umsonst besagt ein kantonesisches Sprichwort: „Eine schlechte Namensgebung ist schlimmer als ein schlechtes Schicksal“.
4. „Messen verlieren an Bedeutung”
Eine Studie von „B2B International“ ergab, dass Messen der bevorzugte Kommunikationskanal für Industrieeinkäufer sind. Strategisch gewählte Messen sind somit nach wie vor wichtig. Sie sichern die Präsenz eines Unternehmens in den relevanten Käuferkreisen, ermöglichen den persönlichen Kontakt und erleichtern Vertragsabschlüsse. Das gilt auch in China.
5. „Marketing in China bedeutet, das vorhandene Marketingmaterial ins Chinesische zu übersetzen”
Webseiten und Werbebotschaften in chinesischer Sprache sind die Voraussetzung dafür, dass Interessenten das Angebot eines Unternehmens überhaupt verstehen. Dies ist jedoch nur ein Teil des ganzen Puzzles: Für eine ganzheitliche Kommunikation müssen alle vier Ps des Marketings berücksichtigt und an die lokalen Marktbedürfnisse angepasst werden. Entsprechend der Strategie sollten Inhalte für den Markt entwickelt statt lediglich übersetzt werden. Gleiches gilt für die Verbreitungskanäle – Print, digital und/oder live. Auch sie müssen entsprechend definiert werden.
6. „Guanxi (Beziehungen) sind alles“
Gute Beziehungen können in China Tür und Tor öffnen. Geschäftsbeziehungen gehen weit über Büro und Konferenzraum hinaus, Abendessen und Unterhaltung sind Teil des Business. Dennoch sind ein optimales Branding und die vier Ps auch in China immer noch das A und O, wenn es um eine langjährige Geschäftsbeziehung geht.
7. „Social Media sind irrelevant für B2B-Geschäfte”
2012 hatte China 564 Millionen Internet-User, 90 Prozent davon sind in Social Media involviert. Da wichtige westliche Suchmaschinen und Soziale Netzwerke geblockt sind und gegenüber Mainstream-Massenmedien großes Misstrauen besteht, entwickelten sich einheimische Social Media zur wichtigsten Informations- und Nachrichtenquelle. Viele chinesische, aber auch europäische B2B-Unternehmen nutzen diese Social Media, um mit potenziellen Kunden, zukünftigen Mitarbeitern und allgemeinen Interessensgruppen zu kommunizieren.
Fazit:
Natürlich ist diese Liste nicht vollständig. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Mythen über Marketing in China und es kommen immer wieder neue hinzu. Grundsätzlich gilt, dass europäische Firmen, die den Schritt nach China planen, den Markt stets vorsichtig analysieren und ihre Strategien entsprechend ausrichten sollten. Eine gute Orientierung bietet hierbei der folgende Satz des chinesischen Generals, Militärstrategen und Philosophen Sun-zi: „Wer den Gegner und sich selber kennt, wird in hundert Schlachten siegreich bleiben.“
Über die Autorin:
Janet Mo ist Mitbegründerin und CEO von Zentron Consulting (www.zentron-consulting.com), einem Beratungsunternehmen, das sich auf B2B-Marketing in China spezialisiert hat. Sie verfügt über 22 Jahre Marketingerfahrung in China und Europa, davon zwölf Jahre bei renommierten Werbeagenturen wie Ogilvy und zehn Jahre als Marketingleiterin des österreichischen Wälzlagerherstellers NKE. Sie spricht fließend Chinesisch (Mandarin und Kantonese), Englisch und Deutsch.
Anmerkung: Der Blog ist ein geringfügig geänderte Version des am 29.5.2013 auf "marconomy.de" veröffentlichten Beitrags: www.marconomy.de/kommunikation/articles/406316/ (externer Link)
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